Anmerkungen von Martin Zenck

Martin Zenck geht in seinen Anmerkungen differenziert auf die einzelnen Aspekte des Fragebogens ein und ist dem Stück erkennbar zugetan, artikuliert jedoch auch einige Kritikpunkte. So weist er etwa darauf hin, dass die beiden unterschiedlichen strukturellen Aggregatszustände, die den Mittelteil des kurzen Stückes prägen, nämlich lange Liegeklänge und plötzliche Ausbrüche, besser und auf vielfältigere Weise miteinander verbunden werden könnten:

 

„Das Stück bewegt sich zwischen Pedalklängen und Explosionen. Zentralklänge der Ruhepunkte sollten aber zumindest zum Teil auch vorbereitet sein, auch die Bewegung von den still gestellten Klängen wieder in das Lauf- und Räderwerk der bestens geölten Maschine.“

Durch die klare Setzung von einigen Ruhepunkten, die die Funktion von deutlichen formalen Einschnitten hätten, sei die Form grundsätzlich gut nachvollziehbar und interessant.

 

Das Stück sei klanglich und strukturell sehr fein und differenziert durchgestaltet und zeige eine „intensive Eigenständigkeit in der Ausformung. Die Artikulation der einzelnen Instrumente ist sehr fein ausdifferenziert und auch darin mit den anderen Instrumenten verschränkt“.

 

Allerdings findet er, eine „bessere Durchhörbarkeit/Spielbarkeit über die Virtuosität hinaus wäre zu erreichen. Also statt der ausgestellten Beherrschung der Instrumente, größere Freiheit in den Spielmöglichkeiten, mehr Zurücknahme, mehr sprechende Stille.“

 

Sehr ähnlich wie Manos Tsangaris vermisst auch Martin Zenck eine fehlende Ruhe und Gelöstheit, ein Im-Moment-Sein, das den einzelnen Klängen Raum zu ihrer Entfaltung gibt:

 

„Das Stück ist zu dicht, zu virtuos im ausgestellten Sinn. Es müßte gerade wegen seiner Kürze mit einer intensiven Aussparung arbeiten, ohne dabei in den Webernschen Stil der op. 5 und 9 zurückzufallen. So vermittelt diese Instrumentalversion den Eindruck, in einem größeren Kontext zu stehen, also im Entwicklungsprozess differenzierter und weniger fein abgestufter Formprozesse zu stehen.

 

Kriterium: „was ganz anderes, Unerhörtes, weniger Beherrschtes und Zudringliches. Statt dessen Imagination von Klang und Nicht-Klang.“

Dieses Problem hängt laut Zenck eng mit der Kürze des Stückes zusammen:

„Das Problem der möglichen Entfaltung liegt in der relativen Kürze des Stückes. Warum ist es so gedrängt, verdichtet als Abbreviatur gehalten? Durch die Kürze, auch derjenigen von außen veranlaßten, kommt die Musik zu rasch zu sich, spielt zu rasch alle Karten aus, die sie mit dem Komponisten in der Hand hat.“

 

Das Kriterium der „spezifischen Zugehörigkeit“ des Stückes (dieses sollte ganz bewusst auf das Ensemble der Uraufführung zugeschnitten sein) bejaht Zenck ganz entschieden:

„Das Stück setzt eindeutig auf die virtuosen Fähigkeiten des Ensembles.“

Diese Tatsache bewertet er jedoch zwiespältig:

„Gerade weil der Adressat, das spezifische Ensemble mit seinen Fähigkeiten erkennbar ist, sollte es diese Möglichkeiten ganz zurücknehmen, um sich selbst ganz neu und in anderen Horizonten zu entdecken.“

 

Zenck gibt uns den „Rat zur Verabschiedung von Metier, von beherrschtem Handwerk, das zwar die Voraussetzung für die Entdeckung des Neuen ist, aber sich dort nicht erschöpfen darf. Ds Visionäre liegt also entweder im Zurück, das dann quer zur Zeit steht (Un-Zeit, Unzeitgemäßes) oder im Überschuß über jedes Metier hinaus.”

Mehr Raum für die einzelnen Gesten, mehr Entfaltung der Klänge, mehr Mut dazu, die Poesie des Augenblicks geschehen zu lassen, dem kommt für Zenck zentrale Bedeutung zu:

 

„Das Visionäre läßt sich nicht beliebig hervorrufen: es müßte sich ereignen und einfach geschehen.“